68. Dotter-Konzert
Das Dritte Reich und die „entartete“ Musik
Mit dem Trio Delyria, Çağla Gürsoy und Texten, gelesen von Gabriele Drechsel

Samstag 22.03.2025, 18.00 Uhr | Ernst-Ludwig-Saal
17.30 Uhr Einführungsvortrag
80 Jahre Kriegsende
Dieses Konzert bietet ein eindringliches Programm, das die bewegte Geschichte des 20. Jahrhunderts durch Musik reflektiert. Im Mittelpunkt stehen Werke von Erich Wolfgang Korngold, Paul Hindemith, Viktor Ullmann und Mieczysław Weinberg. Diese Komponisten spiegeln in ihren Biografien und Kompositionen die tiefgreifenden Umwälzungen und Katastrophen wider, die Europa im vergangenen Jahrhundert erschütterten.
Die Musik erstreckt sich über vier Jahrzehnte: von der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg über die Roaring Twenties bis hin zu Werken, die unmittelbar nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten entstanden und schließlich zur Musik der „Stunde Null“, dem Übergang in eine neue Weltordnung nach 1945.
Ergänzt wird die Musik durch kurze Texte und Gedichte von Stefan Zweig, Ernst Jandl, Walter Mehring, Erich Kästner und Mascha Kaléko, die auch zum Diskurs einladen.
Vier Schicksale, vier Lebenswege
Die Schicksale der Komponisten sind dabei ebenso facettenreich wie ihre Werke:
Erich Wolfgang Korngold, gefeiert als Wunderkind und Komponist hochromantischer Opern, entkam 1934 dem Zugriff der Nationalsozialisten durch eine Karriere in Hollywood. Dort wurde er als Filmmusikkomponist berühmt, konnte jedoch nach dem Krieg in Europa nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen.
Paul Hindemith, dessen Musik ab 1936 in Deutschland verboten war, fand zunächst in der Schweiz und ab 1938 in den USA eine neue Heimat. Nach dem Krieg kehrte er erfolgreich nach Frankfurt zurück und prägte dort die Musikszene nachhaltig.
Viktor Ullmann, einer der bedeutendsten Komponisten seiner Generation, wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert. Trotz der unmenschlichen Bedingungen schuf er dort tief bewegende Werke, bevor er 1944 in Auschwitz ermordet wurde.
Mieczysław Weinberg, der 1939 aus Warschau nach Moskau floh, überlebte den Krieg, geriet jedoch später ins Visier des stalinistischen Regimes und wurde 1948 wegen „Formalismus“ angegriffen. Dennoch hinterließ er ein reiches Œuvre, das erst in den letzten Jahrzehnten wiederentdeckt wurde.
Trio Delyria
Das Trio Delyria, 2020 von drei israelischen Musikern in Frankfurt und Berlin gegründet, widmet sich mit Leidenschaft dem Klaviertrio-Repertoire. Unter der Leitung von Prof. Angelika Merkle an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt erspielte sich das Ensemble schnell Anerkennung durch Auftritte in renommierten Häusern wie der Alten Oper Frankfurt und der Laeiszhalle Hamburg sowie durch Radioauftritte in Deutschland und Israel.
Das Trio hat bedeutende Auszeichnungen erhalten, darunter den Bad Homburger Förderpreis, den Lenzewski-Stiftungspreis und Preise beim Internationalen Schumann-Kammermusikwettbewerb. Sie sind Stipendiaten des Yehudi Menuhin Programms „Live Music Now“ und des Ensemblestipendiums der HfMDK.
Die Musiker studieren derzeit in Frankfurt und am Internationalen Institut für Kammermusik in Madrid unter der Anleitung von Angelika Merkle und Günter Pichler. Ihre Debüt-CD mit Werken von Mendelssohn Bartholdy und Ben-Haim erschien 2022, gefolgt von einer zweiten Aufnahme 2024 mit Stücken von Haydn und Bradshaw.
Çağla Gürsoy
Çagla Gürsoy, in Ankara geboren, ist Pianistin und Komponistin mit einer beeindruckenden Laufbahn. Bereits mit 11 Jahren begann sie ihr Klavierstudium als Jungstudentin an der Hacettepe Universität, mit 14 folgte das Kompositionsstudium. Beide Fächer schloss sie erfolgreich ab und trat früh bei Festivals für Neue Musik sowie Rundfunkübertragungen auf. Nach Studien in Ankara, Darmstadt und Paris absolvierte sie 2021 das Konzertexamen am Conservatoire à Rayonnement Régional de Paris bei Prof. Jean-Marie Cottet.
Ihr Solorepertoire umfasst hochvirtuose Werke der französischen und russischen Romantik (u.a. Alkan, Rachmaninow, Skrjabin) sowie Musik von Scarlatti, Haydn und Beethoven. Çagla Gürsoy ist vielfache Preisträgerin, darunter Erste Preise bei internationalen Wettbewerben wie „Rhapsody“ in Adana, der Boğaziçi Sanat Akademisi in Istanbul und dem V. Future Stars Wettbewerb (USA). Sie war Stipendiatin des Programms „NEUSTART KULTUR“ des Deutschen Musikrats und hat an Meisterkursen bei renommierten Musikern wie Klaus Hellwig und Malcolm Bilson teilgenommen.
Neben ihrer Konzert- und Lehrtätigkeit komponiert sie Werke für Solisten, Kammermusik und Orchester. Ihre Auftragskompositionen für Ensembles wie die Rheinland-Pfalz Philharmonie und die Bläserphilharmonie Aachen wurden begeistert aufgenommen.
Gabriele Drechsel
Gabriele Drechsel studierte nach dem Abitur Schauspiel am Max Reinhardt Seminar in Wien.
Es folgten Engagements am Hessischen Staatstheater Wiesbaden und am Deutschen Theater
Göttingen. Seit 1996 ist sie festes Ensemblemitglied am Hessischen Staatstheater Darmstadt. Im Moment ist sie zu sehen in „Interviews mit Bäumen“, „Macbeth“, „Im weißen Rössl“, „Hedda Gabler“, „Was der Butler sah“ und „Stolz und Vorurteil“.
Seit langem tritt sie auch mit Lesungen auf und hat u.a. mit der Geigerin Elena Martínez-Eisenberg drei Abende Geige-Lyrik entwickelt. Gabriele Drechsel ist zertifizierte Lehrerin nach der Lichtenberger Methode (Lichtenberger Institut für angewandte Stimmphysiologie).
Programm:
Erich Wolfgang Korngold, Klaviertrio D-Dur
Paul Hindemith, Suite 1922
Viktor Ullmann, Klaviersonate Nr. 1
Mieczysław Weinberg, Klaviertrio a-Moll
Besetzung:
David Strongin, Violine
Uriah Tutter, Violoncello
Elisha Kravitz, Klavier
Çağla Gürsoy, Klavier
Gabriele Drechsel, Texte
Foto © Hansjörg Rindsberg, Lena Urazeva, Nathalie Zimmermann