77. Dotter-Konzert

Barockfest Darmstadt – Eröffnungskonzert

„La Costanza vince l’inganno“, Pastorale von Christoph Graupner

Rotes Plakat mit goldenen barocken Ornamenten und der weißen Schrift „Barockfest Darmstadt“

Sonntag, 31.05.2026, 18.00 Uhr | Ernst-Ludwig-Saal

Darmstadt und der moderne Opernbetrieb 1710

Im „Konzert“ der großen und kleinen Fürstentümer des Heiligen Römischen Reichs spielte Darmstadt im frühen 18. Jahrhundert vor allem in kultureller Hinsicht eine zentrale Rolle. Zu verdanken war dies seinem überregional hoch geschätzten Kapellmeister Christoph Graupner, der auf Wunsch des Landgrafen Ernst Ludwig in dessen Residenz nach dem Vorbild der berühmten Hamburger Gänsemarktoper ab 1710 einen modernen Opernbetrieb etablierte. 1715 kam es zu einer besonderen Produktion: Sämtliche Kräfte wurden gebündelt als man nicht nur das hochkarätige Sängerensemble mit der Hofkapelle eine neue Oper uraufführen ließ, sondern auch das residenzeigene französische Tänzerensemble in das Bühnengeschehen integrierte – und mehr noch: kein Geringerer als der Landgraf selbst steuerte dafür die Musik bei: Tanzsätze ganz nach französischer Manier, wie er sie in den späten 1680er Jahren auf seiner Kavaliersreise nach Paris bei Ludwig XIV. kennengelernt hatte. Es entstand eine frühe Form eines „Gesamtkunstwerks“, das alle künstlerischen Kräfte am Hof bündelte.

La Costanza vince l’inganno – Beständigkeit besiegt den Betrug

Der Inhalt, um den es ging, war eine Pastorale, ein damals überaus beliebtes Genre, angesiedelt in der Hirtenwelt Arkadiens. Das junge, füreinander bestimmte Paar, Prinz Meleagro von Tessalien und Prinzessin Atalanta von Arkadien, trifft zunächst zufällig und Inkognito, da sich Meleagro als Jäger verkleidet hat, aufeinander. Sie verlieben sich ineinander, aber in der Folge der Intrigantin Silvia, die ebenfalls ein Auge auf Meleagro geworfen hat, sollen sie auseinandergebracht werden. Nach dramatischen Stationen geht am Ende dennoch alles gut aus.

Es war das perfekte Sujet für Graupner, um kompositorisch alle damals angesagten musikalischen Stile miteinander kombinieren zu können: Selbstverständlich kommt die böse Intrigantin Silvia mit schneidenden Koloraturen als Figur der italienischen Opera seria mit großen Da-Capo-Arien daher, während das junge Paar auch mit Arien in französischer Tanzsatzform musikalisch ausgestattet wird: Wenn aus dem hohen Prinzen Meleagro in Verkleidung der einfache Jägerbursche mit dem Namen Tirsis wird, schlüpft er auch musikalisch in eine niedere Rolle mit schlichten Tanzsatzrhythmen.

Christoph Graupner

Im Jahr 1711 rückte Graupner an die Spitze der Hofkapelle; fortan war er der Hauptverantwortliche für die Musik am Darmstädter Hof. Er hatte dafür zu sorgen, dass für alle Belange, zu denen Musik benötigt wurde, entsprechende Kompositionen vorhanden und zur Aufführung bereit waren. Landgraf Ernst Ludwig war in Hamburg auf den jungen Christoph Graupner aufmerksam geworden, der seit 1706 als Cembalist im Orchester des damals berühmten Opernhauses am Gänsemarkt mitwirkte.

Ernst Ludwig war ein Liebhaber der Oper – und es ging ihm vor allem darum, „zuhause“ in Darmstadt Ähnliches zustande zu bringen: moderne Opernaufführungen, mit hervorragenden Sängern und entsprechend prachtvoller Ausstattung des Bühnengeschehens – und natürlich einer Musik, die der Dramatik des Geschehens gerecht wurde.

Graupner war, so ergibt sich der Eindruck, weniger ein Komponist der lauten, majestätischen Klänge – wiewohl er dieses Spektrum selbstverständlich auch beherrschte und bediente – als vielmehr ein Mann der leiseren Töne, der verhalten-verschatteten Stimmungen. Chalumeau, Flauto d’amore, Viola d’amore, Fagott – das waren die Instrumente, die ihn zu besonderen musikalischen Lösungen inspirierten. Die Bandbreite der vertonten Affekte reichte von rasenden Wut- und Eifersuchtsausbrüchen bis hin zu resignativ-verzweifelten Todesahnungen, die er musikalisch gleichermaßen virtuos wie intensiv realisierte.

Mit der Einstellung des Opernbetriebs 1719 erlosch Graupners diesbezügliches Wirken.

Besetzung:
Gesangssolistinnen und -solisten
Orchester

Foto © Grafisches Erscheinungsbild: Götz Gramlich, gggrafik design